14. November 2011

Hinterbliebenenversorgung – Keine Hinterbliebenenentschädigung, wer fahruntüchtig verunglückt

Das Hessische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 13. Mai 2011 (Az.: L 9 U 154/09) entschieden, dass ein Beschäftigter, der auf der Heimfahrt von seiner Arbeit im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit verunglückt, grundsätzlich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, auch, wenn sein Arbeitgeber den Konsum von Alkohol während der Arbeit nicht verhindert hat.

Eine junge Witwe hatte geklagt, deren Mann auf der Heimfahrt von seiner Arbeit tödlich verunglückt war. Ihr 30-jähriger Mann und Vater von zwei Kindern war fast zwei Stunden nach einer Spätschicht mit seinem Auto tot in einem Straßengraben aufgefunden worden. Ein Fremdverschulden an seinem Unfall konnte nicht festgestellt werden. Allerdings ergab eine Blutprobe eine Alkoholkonzentration von 2,2 Promille.

Daraufhin lehnte es die Berufsgenossenschaft des Mannes ab, seinen Hinterbliebenen eine Entschädigung zu zahlen und berief sich darauf, dass Wegeunfälle, die ein Versicherter wegen absoluter Fahruntüchtigkeit erleidet, grundsätzlich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, weil in so einem Fall der Alkoholgenuss als wesentliche Ursache für den Unfall anzusehen ist.

Die Witwe machte in ihrer gegen die Berufsgenossenschaft gerichteten Klage geltend, dass es im Betrieb ihres Mannes toleriert werde und üblich gewesen sei, dass während der Arbeitszeit Alkohol konsumiert wurde. Vorgesetzte ihres Mannes hätten mitgetrunken und selber Alkohol mit in die Firma gebracht. Der Unfall stehe daher wegen Verletzung der Fürsorgepflicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Richter des in erster Instanz angerufenen Sozialgerichts Marburg und auch ihre Kollegen des Hessischen Landessozialgerichts, bei dem die Witwe Berufung eingelegt hatte, wollten dem nicht folgen.

Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Beweisaufnahme ergab, dass die absolute Fahruntüchtigkeit des Verunglückten die wesentliche Ursache für den Unfall war. Anhaltspunkte für andere Ursachen wie etwa Fahrzeugmängel, schlechte Straßenverhältnisse, Wildwechsel oder ein Verschulden Dritter lagen nicht vor. Die Berufsgenossenschaft hat es daher zu Recht abgelehnt, Hinterbliebenen-Leistungen zu erbringen.

Es besteht kein Versicherungsschutz wegen einer möglichen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Selbst wenn er den Alkoholkonsum des Verunglückten geduldet haben sollte, handelt es sich dabei um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die ausschließlich der privaten Entscheidung des Versicherten unterliegt.

Nach Meinung der Richter wäre eine mögliche Verletzung der Fürsorgepflicht nur dann in Betracht gekommen, wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum am Arbeitsplatz offiziell geduldet und keinerlei Schutzvorkehrungen gegen die anschließende Benutzung eines eigenen Verkehrsmittels getroffen hätte.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber den Beschäftigten nämlich nicht nur alkoholfreie Getränke zur Verfügung gestellt. In einer Betriebsvereinbarung war darüber hinaus der Genuss von Alkohol während der Arbeitszeit ausdrücklich verboten worden.

Die Richter haben wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls eine Revision beim Bundessozialgericht zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob die Witwe von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird.

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